Mental Load – was ist das?

Auch heute noch liegt es bei den meisten Paaren in der Verantwortung der Frau sicherzustellen, dass rund um die Familie an alles gedacht wird. Sie tragen den Löwenanteil des Mental Loads. Das belastet.

We are fathers, swiss dads.
Photographer Johan Bävman
Foto: Johan Bävman, Swiss Dads

Du kommst nach einem anstrengenden Tag von der Arbeit nach Hause. Heute lauter Probleme im Büro! Es ist 19.00 Uhr. Du gehst durch die Haustür und … die Wohnung ein Chaos. Im Eingangsbereich, im Wohnzimmer, in der Küche. Das Baby weint in Mamas Armen. Du stellst deinen Rucksack ab. Du gibst deiner Partnerin einen Kuss und sagst: «Was kann ich tun?» Und dann? Explodiert sie! Sie bricht zusammen. Sie legt dir das Baby in die Arme, weint vor Wut und verzieht sich…. Du bist verwirrt. Du kommst nach einem stressigen Tag von der Arbeit nach Hause, bietest ihr Hilfe an und sie schickt dich in die Wüste? Wow.

Sozialer Kontext im Wandel

In den letzten 25 Jahren haben die Väter von Kindern zwischen 0 und 14 Jahren in der Schweiz jede Woche 9,9 Stunden mehr für Hausarbeit und Erziehung aufgewendet (BFS, 2021). Gleichzeitig verringerten sie auch ihre bezahlte Tätigkeit um 5,3 Stunden, wobei die Zahl der Männer, die Teilzeit arbeiten, anstieg. Wie denn nun? Die Väter investieren immer mehr in ihre Familienrolle und den Müttern reicht es immer noch nicht, damit es ihnen gut geht?

Ja. Es ist tatsächlich nicht genug. Warum? Versuchen wir, uns Klarheit zu verschaffen. Vor 50 Jahren war das gängigste Familienmodell die Hausfrau und der vollzeit erwerbstätige Vater. Die Aufteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit war eindeutig geschlechtsspezifisch. Mit dem Wandel der Rollenbilder, seit ein Job oft nicht mehr genug einbringt, um eine Familie zu ernähren und mit dem Bedarf der Volkswirtschaft nach mehr Arbeitskräften, traten eine sehr grosse Anzahl Frauen in den Arbeitsmarkt ein. Derzeit gehen die meisten Frauen einer bezahlten Tätigkeit nach und behalten diese auch nach der Ankunft eines oder mehrerer Kinder bei.

Gleichzeigtig zu dieser Realität ist die Gesellschaft zunehmend individualistisch geworden. Die Kernfamilie ist zum Standard geworden, d. h. eine heutige Familie besteht immer häufiger aus beiden Elternteilen und den Kindern. Andere Angehörige (Großeltern, Onkel, Tanten usw.) haben sich entfernt. Der „weibliche Clan“, der die neue Familie und insbesondere die Mutter begleitet hat, ist nicht mehr da. Frauen sind in bei der Erfüllung der Mutterrolle viel mehr auf sich allein gestellt als früher.

Ohne eine echte Familienpolitik, die Familien in der Schweiz unterstützt, und mit einem immer stärker werdenden Druck der Wirtschaft, mehr und besser zu arbeiten, entsteht ein anspruchsvolles Spannungsfeld für frischgebackene Eltern. Aus diesem Grund sind frischgebackene Familien besonders gefährdet. Die psychische und physische Gesundheit der ganzen Familie wird auf eine harte Probe gestellt.

Haus- und Familienarbeit vs. mental load

Die Aufteilung der Haus- und Familienarbeit in der Schweiz wird im MenCare Report (2018) mit dem Titel «Fussabdruck MenCare Schweiz» präsentiert, der «…eine stark ungleiche Verteilung der Hausarbeit aufzeigt: In weniger als 10% der Fälle ist es der Mann, der hauptsächlich die Zubereitung der Mahlzeiten, das Putzen oder Waschen und Bügeln übernimmt. Umgekehrt werden technische Aufgaben und Reparaturen in 75 % der Fälle von den Männern und in weniger als 10 % der Fälle von den Frauen übernommen. Administrative Aufgaben werden ebenfalls überwiegend von den Männern übernommen (42% der Fälle), aber auch häufig von den Frauen (34% der Fälle) und regelmäßig von beiden Partnern geteilt (23% der Fälle). Eine als «im Allgemeinen gleichmässig» bezeichnete Aufteilung der Hausarbeit ist nicht die Regel, kommt aber bei bestimmten Aufgaben häufig vor: Bei 24% bei der Zubereitung von Mahlzeiten, bei 28% beim Putzen und Aufräumen, bei 35% beim Einkaufen und bei 23% bei administrativen Aufgaben. Insgesamt leisten Frauen derzeit immer noch doppelt so viel Haus- und Erziehungsarbeit wie Männer.

Das neue Konzept des mental load im häuslichen Bereich kommt aus der Soziologie und befasst sich mit der kognitiven Belastung befasst, die von Erwachsenen, häufig Frauen, im Rahmen der täglichen Haus-und Familienarbeit getragen wird. Mental load wird definiert als «mentale Kapazität und psychologische Energie, die Frauen, meist Mütter von kleinen Kindern, aufbringen müssen, um sicherzustellen, dass in der Familie alles funktioniert» . Es geht also um die Verantwortung, an alles zu denken, alles zu organisieren und im Familiensystem alles im Griff zu haben. Nun waren es im bestehenden patriarchalen System seit einigen Jahrtausenden die Frauen, der weibliche Familienclan, der sich um die Pflege des Hauses und der Familie kümmerte (Care-Tätigkeiten). Männer spielten und spielen (häufig) immer noch die Rolle des Beschützers, des Ernährers.

Der Haken an der Sache ist jedoch, dass es diesen weiblichen Clan heute nicht mehr gibt. Mütter können den mental load im häuslichen Bereich nicht mehr so stark auf andere Bezugspersonen (Großmütter, Tanten usw.) aufteilen. Außerdem haben sie meist eine bezahlte Tätigkeit, die ihre eigenen mentalen Belastungen mit sich bringt! Kurzum, es braucht mehr denn je den Partner, den anderen Elternteil, um nicht alles zu tragen und sich in die Gefahr eines mütterlichen Burn-outs zu begeben.

Lernen, wie man Co-Eltern wird

Warum also explodiert deine Partnerin, wenn du nach der Arbeit fragst: «Was kann ich tun?» Weil es für sie bedeutet, dass sie dir sagen muss, was Zuhause zu tun ist. Für sie ist das gleichbedeutend damit, ein weiteres Kind zu haben, dem man Aufgaben geben muss– statt einem zweiten Elternteil, der Verantwortung übernimmt. Das kann auch bedeuten, dass du ein «Helfervater» bist, der mit seinen eigenen Kindern nicht selbstverständlich auch alleine kompetent ist.

Co-Elternteil zu sein bedeutet kurz gesagt schlicht: die Elternrolle gleichwertig ausfüllen. Als erwachsene Bezugsperson und Bindungsperson des Kindes bedeutet es, sich um das Kind zu kümmern, ihm auf allen Ebenen (physisch und psychologisch) Sicherheit zu geben und es in seiner Entwicklung zu begleiten. Diese Fähigkeit hat nichts mit dem Geschlecht des Erwachsenen zu tun! Als Vater kannst du es genauso gut wie die Mutter. Das lernt man ganz einfach durch Übung. Also ja, wenn es die Mutter ist, die am häufigsten zu Hause ist, hat sie diese Fähigkeiten schneller entwickelt als du. Das bedeutet aber nicht, dass sie de facto zur Chefin zuhause wird, zur Expertin, die alles absegnen muss, bevor du etwas mit dem Kind unternimmst.

Es liegt an Ihnen beiden als Co-Eltern, festzulegen, wer für welche Aktivität zuständig ist. Nur weil du weniger zu Hause anwesend bist, heißt das nicht, dass du nicht einen Teil der häuslichen mentalen Belastung tragen kannst. Du könntest z. B. durchaus alles übernehmen, was mit Einkäufen zu tun hat. Von A bis Z, d. h. ohne die Mutter vom Laden aus anzurufen, um zu fragen, ob das Salz leer ist oder die Einkaufstüten auf den Tisch zu stellen und ihr das Einräumen zu überlassen. Wenn sie sich keine Sekunde mehr um diese Aufgabe kümmern muss, entfernst du einen To-Do-Sticker von ihrer Stirn und nimmst ihr dieses Stück metal load ab. Damit entlastest du aber eigentlich die ganze Familie, denn man muss immer an das Gesamtgleichgewicht denken. Wenn es ihr besser geht, geht es der ganzen Familie besser. Wenn es dir besser geht, geht es der ganzen Familie besser. Wenn es dem Kind besser geht, geht es auch der ganzen Familie besser.

Die Batterie des Elternpaares im grünen Bereich halten!

Der Teamgedanke ist in einem System, das junge Familien nicht gut unterstützt, unverzichtbar. Man kann sich den eigenen Erschöpfungszustand und den des Partners oder der Partnerin wie die Batterieanzeige eines Smartphones vorstellen. Das Elternpaar muss versuchen, im grünen Bereich zu bleiben. Wenn einer von beiden im roten Bereich ist, muss der andere das ausgleichen und zusätzliche Energie einbringen, damit die Anzeige grün bleibt. Einmal bist du der, dessen Akku leer ist, ein anderes Mal deine Partnerin. Bildet ein Team, um bestimmte schwierige Zeiten zu überstehen und das großartige Abenteuer, Vater und Eltern zu werden, weiterhin so gut wie möglich zu leben! Und wenn über eine längere Zeit bei beiden die Batterien leer sind, holt euch Hilfe.

Zur Vertiefung :

  1. Comic “ Fallait demander “ von Emma. Hier ein konkreter Erfahrungsbericht aus ihrem Blog, der hilft, die mentale Belastung richtig zu definieren:
    Jo – 25. März 2020 um 10:07 Uhr min
    “ Rien compris Pascalou!

    psychische Belastung hat nichts mit „Rolle“ oder „sozialem Zwang“ zu tun
    mentale Belastung = „denke an“ : Milch holen, Papa eine Geburtstagskarte schicken, die Sportausrüstung waschen, den Hort bezahlen, den Müll rausbringen, Tante Lucy zurückrufen, zum Schwimmunterricht mitgehen, Toilettenpapier mitbringen, den Türgriff des Tores (aus)tauschen lassen, einen Kostenvoranschlag einholen, den Ast der Hecke, der sich durch die Stromleitungen zieht, abschneiden, die Impfungen auffrischen, einen Termin bei der Autowerkstatt vereinbaren, die Oma von nebenan fragen, ob es ihr an nichts fehlt, die Würstchen kochen, bevor sie abgelaufen sind, das Hemd für das Vorstellungsgespräch bügeln, die Freunde für Samstag einladen, den verlorenen Turnschuh ersetzen, die Glühbirne im Kühlschrank auswechseln, das ÖV-Abo vor dem 15. verlängern, etc etc. verstehen Sie das? All das hat eigentlich nichts mit Geschlecht zu tun, aber wer macht das in Ihrem Haushalt? bei Ihren Eltern? bei Ihren Freunden?“.
  2. Buch Raus aus der Mental-Load-Falle, Patricia Cammarata, Beltz,  202o
  3. Buch L’art d’être coparents (Die Kunst, Eltern zu sein), Nicolas Favez, Odile Jacob, 2020
  4. Bericht Fussabdruck MenCare Schweiz. Crettenand, Gilles & Theunert Markus, Schweizerisches Institut für Männer- und Geschlechterfragen SIMG, online 1. Juni 2018

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