«Wenn ich das nur früher gewusst hätte!»

In unserer Rubrik «Wenn ich das nur früher gewusst hätte!» blicken Fachmänner zurück, wie sie selbst Väter geworden sind – und verraten dir, was sie im Nachhinein anders gemacht hätten.
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Heute: Thomas Neumeyer, Leiter Kommunikation männer.ch (*1983)

Mit der Geburt unseres Sohnes hat sich für mich und meine Partnerin vieles geändert: Weniger Zeit für politisches Engagement, Partys, Ausflüge und ausgefallene Kochrezepte, mehr Zeit Zuhause, auf Spielplätzen, mit Freund:innen, die auch Kinder haben. Die grösste Veränderung ist natürlich unser Sohn, der uns fordert, zum Lachen bringt, für Augenringe und mit Babyfotos überfüllte Speicherkarten sorgt. Aber einige Dinge sind auch gleichgeblieben.

Wenn wir streiten, wird’s emotional und kompliziert. Denn, wenn Typ «Vulkan» auf Typ «Schutzschild» trifft, ist es schwierig, in Kontakt zu bleiben und sich zu finden. Das war bei uns schon immer so. Nur die Frequenz hat sich seit der Geburt verändert. Mit Schlafmangel, fehlender Zeit für uns als Paar und für mich allein, hatten wir ein Jahr nach der Geburt fast wöchentlich einen solchen Streit. Das hat uns zugesetzt. Früher lagen zwischen zwei Konflikten drei schöne Essen, ein romantisches Wanderweekend und viermal Sex. Da war es leicht, nicht genauer hinzusehen und zu sagen: «Nicht so schlimm, eigentlich alles super.»

Nach der Geburt unseres Sohnes, lagen zwischen zwei Streits auch mal eine schlaflose Nacht, ein Nein zu Sex, eine verpasste Sitzung und das vierte Pasta-Pesto dieser Woche. Um aus der Schieflage mit vielen Streitereien und nachhallenden Gefühlen von Verletztheit herauszukommen, mussten wir lernen, uns genauer mit unser Paardynamik zu beschäftigen. Wir haben viel geredet: über Bedürfnisse, Wünsche, Ärger und bessere Strategien. Wir haben auch die Hilfe einer Paartherapeutin in Anspruch genommen. Das hat uns weitergebracht, nicht nur als Paar, sondern auch persönlich.

Heute (unser Sohn ist jetzt vier) geht es uns als Paar gut. Aber ich habe mir oft gewünscht, wir wären diese Dinge nicht erst angegangen, als wir in einer Krise steckten. Auf unseren Wandertouren hätten wir viel Zeit und Energie gehabt, schwierige Themen anzusprechen und herauszufinden, was hinter unseren Konflikten steckt. Und seien wir ehrlich: abgezeichnet haben sich diese Herausforderungen schon damals. Mein Tipp an alle werdenden Väter: Schaut euch eure Baustellen an, wo auch immer sie liegen. Und fangt jetzt an, euch um diese Baustellen und damit um euch selbst zu kümmern. Aufschieben rächt sich.

Wir mussten die Arbeit an unserer Beziehung mit Schlafmangel, in zusammengekratzten Stunden und mit teilweise blank liegenden Nerven leisten. Es hat uns gutgetan und ich fühle mich meiner Partnerin heute auf eine neue Art verbunden. Aber wenn wir früher etwas weniger faul und etwas mutiger gewesen wären, hätten wir jetzt ein paar Mal mehr in einem schicken Restaurant essen können, statt zur Paartherapie zu gehen – und das zum gleichen Preis.

P.S.: Keine Angst, wir sind trotzdem ab und zu essen gegangen. Und wir streiten auch weiterhin, nur weniger und etwas konstruktiver.

Tipp: Kriegst du Schweissausbrüche, wenn du Paartherapie hörst? Dann fang doch an gemeinsam mit deiner Partnerin den Podcast «Beziehungskosmos» zu hören und nach jeder Folge über das Gehörte zu sprechen. Damit kommt man schon weit.

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Ob zur Vorbereitung oder zum Nachlesen. Hier findest du unsere Empfehlungen für Väterbücher, die halten, was sie versprechen.