«Wenn ich das nur früher gewusst hätte!»

In unserer Rubrik «Wenn ich das nur früher gewusst hätte!» blicken Fachmänner zurück, wie sie selbst Väter geworden sind – und verraten dir, was sie im Nachhinein anders gemacht hätten.
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Heute: Ueli Kunz, Leiter Fachstelle Niudad – Väterbildung (*1984)

Ich bin heute 41 Jahre alt und Vater von drei Kindern. Mittlerweile arbeite ich als Leiter der Fachstelle Niudad – Väterbildung. In verschiedenen Spitälern der Schweiz bieten wir Väterrunden in Geburtsvorbereitungskursen an. Um einen solchen Kurs wäre ich froh gewesen, als ich zum ersten Mal Vater wurde.

Ein Arbeitskollege, der bereits Vater war, erzählte mir damals, wie die Geburt bei ihnen ablief. Wie er, kurz nach der Geburt, sein Kind auf dem Arm hielt und sofort verliebt war. Ich freute mich auf diesen Moment. Die Geburt verlief gut, meine Frau hatte keine Komplikationen, ich durfte die Nabelschnur durchtrennen und mein Kind auf den Arm nehmen. Und…. das Gefühl kam nicht, ich war irritiert. Ich hatte eine Vorstellung wie es sein sollte, dass dieses Gefühl mich von den Socken hauen sollte. Glücklicherweise hat sich das im Verlaufe der nächsten Stunden und Tage dann ergeben.

In der Anfangszeit mit Baby ging mir vieles durch den Kopf. Ich erinnere mich an den Gedanken, dass nun alles anders ist. Dass wir nun verantwortlich sind für dieses kleine, liebevolle Geschöpf. Vieles ist verschwommen in meiner Erinnerung. An einen Moment kann ich mich aber noch gut erinnern. An den Moment als ich, etwa drei Tage nachdem wir, plötzlich zu dritt, wieder zu Hause waren und ich in der Stadt etwas besorgen musste. Mit dem Tram führ ich ins Zentrum und war erstaunt, dass alles noch so lief wie vorher. Der öffentliche Verkehr fuhr noch, die Menschen gingen zur Arbeit, die Randständigen trafen sich weiterhin vor der Bahnhof… aber niemandem war bewusst, dass sich die Welt verändert hatte – dass mein Kind nun da war.

Mir war klar, dass ich ein präsenterer Vater sein will, als ich es selbst als Kind erlebt hatte. Als unsere erste Tochter auf die Welt kam war ich 32 Jahre alt. Mein Pensum hatte ich schon vorgängig auf 80% reduziert, was bei einer Stelle als Sozialpädagoge nicht selbstverständlich ist. Ich hatte also meinen fixen Frei-Tag, meinen Papi-Tag, an dem ich alleine zuständig war für das Baby.

Als ich, einen Monat nach der Geburt, wieder mit meiner Erwerbsarbeit startete, fiel mir das äusserst schwer. Ich konnte zwar ein Kaffee trinken, wann immer ich wollte, kurz eine Pause machen, einfach in meinen Rhythmus arbeiten. Aber ich wusste: Wirklich gebraucht, werde ich zu Hause.

Als der Mutterschaftsurlaub meiner Frau zu Ende ging, kam mein erster Tag allein mit meiner Tochter immer näher. Ich freute mich – wirklich. Aber ich hatte auch grosse Angst. «Nimmt sie zwei Mal am Tag den Schoppen? Was mache ich, wenn ich selbst keine Energie mehr habe? Schaffe ich es, sie zu beruhigen, wenn sie beim Wechseln der Windeln einen Schreikrampf bekommt. Schläft sie genügend lange, damit ich Zeit habe, etwas zu essen» Diese Ängste konnte oder wollte ich, ausser mit meiner Frau, mit niemanden teilen.

Mit der Zeit lernte ich, diese Tage zu geniessen – sie waren intensiv, fordernd, aber unglaublich wertvoll. Heute weiss ich, dass es vollkommen in Ordnung ist, sich zu freuen UND Angst zu haben. Und es ist OK und wichtig, über Ängste zu sprechen. Und vor allem auch: über die Herausforderungen als Vater mit anderen Vätern zu sprechen.

Wenn ich noch einmal zurückkönnte, würde ich mein Arbeitspensum mehr reduzieren. Die Baby- und Kleinkinderzeit ist eine kurze Phase. Auch wenn es sich während dieser Phase nicht so anfühlt. Ich bin auch nicht sicher, ob wir uns das vor zehn Jahren hätten leisten können. Heute haben wir im Vergleich zu damals höhere Löhne. Trotzdem, die gemeinsame Zeit mit dem Baby hat man nur einmal und sie ist unbezahlbar.

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