Postpartale Depression? Das sind die Signale!

Die Ankunft eines kleinen Erdenbürgers ist das schönste Geschenk im Leben? Nun ja. In einer grösseren Lebensperspektive stimmt das schon. Aber es ist keineswegs garantiert, dass es sich bereits im ersten Moment so anfühlt.
Vater mit Baby. Auch Väter leiden an postpartaler Depression.
Foto: Johan Bävman, swissdads

«Glückseligkeitszwang» nannte ein Freund die Erwartungshaltung seines Umfelds. Und die stresste ihn total. Denn nach der Geburt seiner Tochter schwebte er keineswegs – wie von allen vermutet – mit entrücktem Lächeln durch die Welt. Eher schlich er von Sorgen und Ängsten bedrückt durch die langen Spitalgänge.

Er war bereits deutlich über 30 Jahre alt, als er erstmals Vater wurde. Ein umtriebiger, erfolgreicher, gewinnender Mann, der es gewohnt war, sein Ding durchzuziehen. Dass mit der Vaterschaft auch die Freuden und Freiheiten des Junggesellen-Lebens zu Ende gingen, belastete ihn. Dazu kamen materielle Ängste, da er sich vor kurzem selbständig gemacht hatte. Auch der Verlust der Position als Nummer 1 im Leben seiner Partnerin hinterliess eine tiefe Verletzung (und dass er wusste, wie unreif diese Empfindung war, machte es nicht besser). So verkroch er sich, wann immer er konnte, übellaunig in sein Zimmer und grübelte stundenlang vor sich hin, wie er aus dieser Sackgasse wieder herausfinden konnte. Er hatte eine postpartale Depression («postpartal» ist die korrekte Bezeichnung. Das geläufigere «postnatal» bezieht sich auf das Kind).

Das Thema «postpartale Depression» ist noch immer ein Tabu. Dabei trifft sie jeden zehnten frischgebackenen Vater (Bei den Müttern ist es knapp jede Sechste). Im Vergleich zu anderen Lebensphasen ist das Depressionsrisiko massiv erhöht. «Kritisches Lebensereignis» nennt man solche biografischen Einschnitte in der Psychologie. An ihrer Bewältigung kann man(n) wachsen.

Das Problem: Eine Depression bei Männern sieht oft nicht so aus, wie man sie sich vorstellt (niedergeschlagen, antriebsleer, trübselig). Männer neigen vielmehr eher zu erhöhter Reizbarkeit, Aggressivität und impulsiven Handlungen. Statt Hilfe zu suchen, versuchen viele Betroffene, die emotionale Belastung in Eigenregie wegzudrücken. Doch die vermeintlichen «Helfer» – typischerweise Alkohol-, Drogen-, Sex-, Arbeits- und/oder Sport-Exzesse – lassen sie meist noch tiefer in den Strudel geraten. Denn psychische Schmerzen lassen sich nicht nachhaltig betäuben. Sie sind Signale, dass die Seele Aufmerksamkeit braucht. Erst wenn sie die erhält, kommt Linderung.

Pech hat auch, wer auf eine Fachperson trifft, der nicht bewusst ist, dass Depressionen auch Männer/Väter ereilen und sich bei ihnen in einer anderen Symptomatik äussern als bei Frauen. Auch das kommt leider viel zu oft vor.

Die gute Nachricht: Der 2021 eingeführte Vaterschaftsurlaub ist ein wichtiger Schutzfaktor. Denn er gibt auch den Vätern einen Moment Zeit, um Luft zu holen und in der neuen Lebenssituation anzukommen. Studien zeigen: Je mehr Vaterschaftsurlaub ein Mann bezieht, desto seltener entwickelt er eine postpartale Depression.

Eine postpartale Depression kommt bei ca. 10% der (frischgebackenen) Väter vor. Bist du unsicher, ob du betroffen bist? Oder möchtest du einem nahegelegenen Vater ans Herz legen, hinsichtlich einer potenziellen postpartalen Depression Abklärungen zu unternehmen? Auf der Seite von Postpartale Depression Schweiz findest du wertvolle Infos und einen anonymen Online-Selbsttest. Wichtig: Bei Männern zeigt sich die postpartale Depression häufig erst ca. neun Monate nach der Geburt.

 

Quellen: Cameron, Sedov & Tomfohr-Madsen, 2016; Da Costa et al., 2017; Paulson & Bazemore, 2010a)

Mehr Informationen: Verein Postpartale Depression Schweiz

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